DOCUMENTA IM SCHNELLDURCHLAUF

14. Documenta in Kassel vom 8. April bis 17 . September

von Gabriele Dräger

Auf der Fahrt mit dem Taxi vom Bahnhof zum Hotel kommt man an der mit Jutesäcken verhüllten Torwache vorbei. Diese Installation hat der ghanaische Künstler Ibrahim Mahama entworfen.

FRIEDERICHSPLATZ

Daniel Knorr lässt Dampf aus dem Zwehrenturm aufsteigen. Nein, es wird kein Papst gewählt und nein, es brennt auch nicht oben im Turm. Am Anfang haben vorsorgliche Bürger die Feuerwehr angerufen. Inzwischen hat sich herumgesprochen, dass es ein Kunstwerk ist.

Die Hauptattraktionen in Kassel ist der „Parthenon der Bücher“ von Marta Miniujin, der gleich auf dem Friedrichsplatz vor dem Fridericianum steht. Er ist im Maßstab 1 zu 1 der Akropolis nachgebaut. Die Plastikfolien umwickelten Säulen sind mit „verbotenen“ Büchern gefüllt. Es sind noch nicht alle Säulen mit Büchern bestückt, man kann noch Bücher abgeben.

In die gelbe Röhren-Installation von Hiwa K auf dem Friedrichsplatz möchte man am liebsten gleich hineinklettern und sich fotografieren lassen, es ist aber verboten. Die Badezimmerröhre ist mit Kernseife und Wurzelbürsten gefliest

KARLSAUEN

Die 1,5 Quadratkilometern großen Flächen der Karlsauen sind ziemlich kunstlos gestaltet. „Die „Mühle des Blutes“ von Antonio Vega Macotela steht vor der Orangerie in der Aue. Diese hölzerne Zahnräder Installation symbolisiert die Silbermünzenprägemaschinen, die von Spanier in südamerikanischen Ländern aufgestellt und von Sklaven betrieben wurden. Die großen Wiesen werden von den Besuchern zum Relaxen und Entspannen genutzt. Ein bisschen versteckt steht ein gelbes Holzgestell von Olaf Holzapfel, das verführt natürlich Kinder zum Draufrumklettern. Ein namenloser Künstler hat die Situation der Leere der Karlsaue genutzt und hat mehrere Fotos eines hellblauen Pudels mit Metallspießen in der Wiese befestigt.

ORANGERIE

Sehr ergreifend und auch entspannend sind die Byzantinischen Gesänge im Westflügel der Orangerie. Die Videoarbeit „Byzantion“ hat der in Wiesbaden geborene Künstler Romuald Karmakar geschaffen. Er hat in einer christlich-orthodoxe Kirche Geistliche in Athen und Karelien gefilmt, die den Marien-Hymnus Agni Parthene (Reine Jungfrau) in Griechisch und in der Liturgiesprache Kirchenslawisch singen. Auch sehr genussvoll ist ein Eiskaffee im Café und Restaurant der Schloss Orangerie. Dann geht es unzählige Stufen zur Neuen Galerie hinauf.

.DIE NEUE GALERIE

Gleich am Eingang kann man schwarze Seife kaufen, natürlich biologisch abbaubar, aber das Stück kostet 20 Euro. Die Nigerianerin Otobong Nkanga verkauft die handgemachte Seife aus Kohle und sieben Ölen. Ashley Hans Schleirls Gemälde „TV Drawings“ mit fotorealistisch gemalten silbernen Plateauschuhen an langen Beinen, die im abstrakten Grau verschwinden. Zwei Videos ergänzen die Mixed-Media-Installation. Im hohen Bücherregal im ersten Stock von Maria Eichhorn kommt man kommt nicht zu den oberen Regalfächern. „Unrechtmäßig aus jüdischem Besitz erworbene Bücher“ ist ihr Thema. Der Leitfaden in der Neuen Galerie ist: „Erinnerungsort“ aus verschiedenen Epochen. So wird auch ein Bild von Max Liebermann ausgestellt. Papierfahnen mit Zeichnungen und Schultischen und verzerrte polnische Folklore-Gesänge aus Lautsprechern zu weißen Skulpturen sind in den Loggias ausgestellt. Im Erdgeschoss ist von Beuys „Das Rudel“ allgegenwärtig und immer wieder beeindruckend, obwohl die Installation schon von 1969 ist.

FRIDERICIANUM

Die Eingangshalle wurde von Nikos Alexiou mit einer Bodenprojektion „The End“ gestaltet. Er hat sich von alten Mustern im Kloster Iviron auf dem Berg Athos inspirieren lassen. Das farbenfrohe Licht verführt zu lustigen Selfies. In der Rotunde im Erdgeschoss laden Schaumstoff-Sitzelemente von Andreas Angelikadis, die mit Militärmustern überzogen sind, zum Ausruhen ein. Im Fridericianum zeigt das griechische Museum EMST aus Athen seine Sammlung, die aus Geldmangel in Athen noch nicht gezeigt werden konnten. Angsteinflößend ist die Installation aus Nato-Stacheldraht von Kendell Geers. Mit einer brennenden Fahne in einem Video zeigt Oliver Ressler „What is democracy?“ In einem versteckten Seitenraum ist auch ein kleines Werk „Das Glas im Kopf wird von Glas“ von Jan Fabre zu bewundern.

NEUE HALLE

Schiffswracks und Trümmer von Flüchtlingsbooten von Guillermo Galindo sind der Blickfang in der hohen Haupthalle. Die Schweizer Malerin Miriam Cahn zeigt auf ihren Bildern Ängstlichkeit, Verzweiflung und Flucht in einfachen Pinselstrichen. Die Chilenin Cecilia Vicuna zeigt in kräftigem Rot verknotete Wollstränge, die eine vorkoloniale Schrift darstellen sollen. Die Gestaltenwandler-Masken des Kanadiers Beau Dick sind Handwerkskunst der Kwakwaka’wakw Indianer in Kanada mit den Einflüssen von Europa und Japan. Das Leben der Sami in Norden Europas hat Britta Marakatt-Labba mit „Historia“ auf dem 23,5 Meter langen Stickbild filigran dargestellt. Von 2003 bis 2007 hat sie daran gearbeitet.

NEUE GALERIE

In der großen ehemaligen Verteilerhalle der Hauptpost dominiert eine Video- und Sound-Installation mit riesigen Gesichtern von Theo Eshetu. Schmuck aus Rentierknochen fragil an Fäden befestigt wird von der Norwegerin Máret Anne Sara präsentiert. „The Disasters of War – Trojan Horse“, heißt die Installation von Daniel García Andújar. Oben auf der weißen Installation thront ein Kämpfer, er ist im Unterleib ein Mann und im Oberkörper eine Frau.

GOTTSCHALKHALLE

In der Gottschalkhalle beeindruckt eine aufwendige Multimedia-Installation von Angelo Plessas. Schon der Innenraum der alten Halle ist ein Kunstwerk.

KÖNIGSPLATZ

In Olu Oguibes 16 Meter hohem Obelisken auf dem Königsplatz ist in vier Sprachen eingraviert und in Gold ausgelegt: „Ich war ein Fremdling und ihr habt mich beherbergt“. Der Obelisk steht so selbstverständlich dort, als ob er schon immer dort stehen würde.

DER MEDIATOR

Adam Szymczyk ist der aktuelle Chef der 14. Documenta 2017. Er wurde 1970 in Polen geboren und war Direktor der der Kunsthalle Basel und 2008 Mitkurator der Berlin-Biennale.

DIE DOCUMENTA

Die Documenta gehört weltweit zu den wichtigsten Ausstellungen für zeitgenössische Kunst. Der Begriff „zeitgenössische Kunst“ wurde während dieser Documenta sehr weit ausgelegt. Die Teilung mit Athen ist neu. Die 14. Documenta findet vom 10. Juni bis 17. September 2017 in Kassel und vom 8. April bis 16. Juli 2017 in Athen statt. Alle fünf Jahre finde die Documenta in Kassel statt.

TAXIFAHRER

Die Taxifahrer sind bisher von der 14. Documenta nicht begeistert, denn das Geschäft läuft nicht so gut wie während der Documenta-Vorläufer, es sind weniger Leute da. „Bei der Eröffnung“, sagt ein Taxifahrer, „waren nur halb so viel Presseleute da.

FAZIT

Es war die langweiligste Documenta. Es gab zu viel alte Kunst. Manchmal hatte man das Gefühl, die Klasse 6 b hat sich mit dem Thema „Flüchtlinge“ beschäftigt. Die großen Räumlichkeiten wurden so gut wie gar nicht ausgenutzt. Es gab zu viel kleinteilige Kunst und zu viel zu lesen. Ist die Documenta eine Literatur-Show?

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