KUNST IST HIER NICHT GANZ SO DRINGLICH

Leserbrief an die Kulturredaktion des OVB, Raimund Feichtner # Jahresausstellung „Kunst aktuell 2017“ des Rosenheimer Kunstvereins

Von Stefan Scherer

 

Jahresausstellung „Kunst aktuell 2017“ des Kunstvereins Rosenheim in der Städtischen Galerie Rosenheim. Abb.v.r.n.l: Cornelius Volkerts „Zeitungsstapel“, Peter Pohl „Insekt“, Stefan Scherer „CatMix“

 

 Sehr geehrter Herr Raimund Feichtner,

zunächst möchte ich Ihnen versichern, dass sich Ihre Ausstellungsbesprechungen m. E. deutlich abheben vom stellenweise flachen, nicht selten wohlmeinend einebnenden Aufzählungsjournalismus anderer Ihrer Kollegen und Kolleginnen.

Diese, an sich angenehme Abweichung findet aber ihren Preis im bisweilen quengeligen Grundton Ihrer Rezensionen. Als Künstler und Kurator verfolge ich nun seit Jahren Ihre Ausstellungsbesprechungen, in denen Sie sich hin und wieder mit vagen Formulierungen über mangelndes soziales oder politisches Engagement durch Ihre Artikel grummeln.

Auch in Ihrer aktuellen Besprechung der Jahresausstellung „Kunst Aktuell 2017“ des Kunstvereins Rosenheim verzichten Sie nicht darauf. Diesmal sekundiert von der 1. Vorsitzenden des Kunstvereins Frau Elisabeth Mehrle, die in ihrer Eröffnungsrede über die Dringlichkeit von Kunst als Mittel zur Anprangerung politischer Probleme spricht. Das Ganze gerät dann aber im bedeutungszerfleddernden Titel Ihrer Rezension: „Kunst ist hier nicht ganz so dringlich“ ein wenig aus den Fugen.

Zu was soll uns Kunst denn drängen, zu einer Art moralischer Gymnastik? Und welches „hier“ ist gemeint, die Galerie etwa oder ein artifizielles Gewissen als Ort der Empörungsillustrationen und Betroffenheitsgesten; oder besser noch, ein (Kunst)Raum in dem wir für die Opfer unseres parasitären Wohlstands unterhaltsam-ästhetische Allegorien finden?

Es scheint, als müsse sich Ihr Kunstbegriff in weltklagenden Erzählungen, heftig illustriertem Zeitgeschehen und heilsversprechenden Metaphern beweisen, nicht etwa im Ästhetischen selbst, auf dessen Oberfläche sich alle Freiheiten finden lassen zu denen Künstler fähig sind.

Umso wichtiger ist es mir daran zu erinnern, dass wir seit der Aufklärung von der Bedeutungsoffenheit von Kunstwerken sprechen. Zu nichts anderem sollte man die Kunst dringlich machen. Sie endet sonst als Ort der dringenden Bedürfnisse.

Stefan Scherer | 22.06.2017 

zum Artikel

https://www.ovb-online.de/rosenheim/kultur/kunst-hier-nicht-ganz-dringlich-8409198.html

Eine Antwort auf „KUNST IST HIER NICHT GANZ SO DRINGLICH“

  1. Danke für Ihren Leserbrief. Die Ausstellungsbesprechung war krass
    unprofessionell mit einigen Regelverstößen.
    1. Herr Feichtner sollte zum Werkstitel auch den Künstler erwähnen
    2. 41:35, Kunst hat kein Geschlecht
    3. Wer nichts sieht, erkennt auch nichts. Es gab mehrere gesellschaftskritische Reflektionen zu „sehen“.

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