Wasserburger Kunstausstellung 2017 Nachtrag Presse

Darüber warum ausgerechnet die umfassendste Berichterstattung über die Große Kunstausstellung 2017, die sich bei viel Lob auch kritisch äußert, nun dieses Jahr erstmalig nicht auf der AK68-Webseite gepostet wurde, darf spekuliert werden. Es scheint aber wenig wahrscheinlich, dass die Diskretion des neuen Vorstands und seiner Pressebeauftragten Zufall ist. Feichtners Rezension “Solide Kunst zum Jubiläum” macht das unseres Erachtens umso lesenswerter.

www.ovb-online.de/rosenheim/kultur/solide-kunst-jubilaeum-8583975.html

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Solide Kunst zum Jubiläum

Wasserburg – Zum 50. Mal gibt es die Große Wasserburger Kunstausstellung des Arbeitskreis 68.

von Raimund Feichtner | 10.08.2017

 

Ein Blick durch die Messingskulptur „Der Ring“ von Ute Lechner und Hans Thurner in die Ausstellung im großen Rathaussaal. Feichtner©OVB

Es ist ein Jubiläum,  das nicht besonders gefeiert wird, denn der 50. Geburtstag ist erst im nächsten Jahr. Aber die Tatsache, dass seit einem halben Jahrhundert moderne Kunst aus der Region und darüber hinaus in Wasserburg präsentiert wird, ist ein großer Verdienst aller Verantwortlichen der Wasserburger Künstlergemeinschaft. Die vergangenen Jahrzehnte waren dabei nicht immer spannungsfrei, auch das vergangene Jahr nicht. Kurz vor der Ausstellung hat sich der Vorstand in mehrheitlicher Abstimmung von seinem Kurator Stefan Scherer getrennt. Der langjährige Zweite Vorsitzende Wolfgang Janeczka ist daraufhin wegen der Vorgehensweise zurückgetreten. Der seit 2016 amtierende Erste Vorsitzende, Dominic Hausmann, will mit seinem Vorstand und seiner Jury auf größere Vielfalt und eine neue Ausrichtung setzen. „Durch die neue Zusammensetzung des Juroren teams, eine Mischung aus erfahrenen Künstlern und ‚Newcomern‘, kann der AK 68 dieses Jahr eine besonders abwechslungsreiche und anregende Palette zeitgenössischer Kunst bieten“ kündigte der AK 68 in seiner Pressemitteilung an.

Die fünf Juroren, Dominic Hausmann, Margret Kube, Gavan Mc Collough, Paul Mooney und Vera Moritz konnten heuer aus insgesamt 475 Exponaten, eingereicht von insgesamt 135 Künstlern aus Deutschland, Belgien und Österreich auswählen. Die Jury hat sich für 105 Werke aus der Malerei, Fotografie, Grafik und Bildhauerei von 78 Künstlerinnen und Künstlern entschieden. Die Frauen sind dabei mit 33 in der Minderzahl. Ob diese Palette „besonders abwechslungsreich und anregend“ ist, muss jeder Besucher wiederum für sich entscheiden. Für den Berichterstatter ist die Ausstellung eine gewohnt solide Schau professioneller, regionaler Gegenwartskunst, die in einem Zug mit der Jahresausstellung des Rosenheimer Kunstvereins genannt werden kann. Werke mehrerer Künstler sind wie in jedem Jahr in beiden Ausstellungen zu sehen. Allerdings erscheint, die Wasserburger Kunstausstellung in manch vergangenem Jahr experimentierfreudiger, gar avantgardistischer gewesen zu sein.

Ausstellung auf drei Häuser verteilt

Ausgestellt wird wie schon in den vergangenen Jahren an drei Plätzen: im Eingangsbereich des Rathauses und im alten und neuen Rathaussaal, in der Galerie des Vereins im Ganserhaus und im rückwärtigen Ausstellungsraum des Museums Wasserburg. Vor dem Rathaus weist die fast fünf Meter hohe „Cut-Out“-Stahlskulptur „Meeting II“ von Georg Mayerhanser aus Waldhausen bei Schnaitsee mit seinen Silhouetten sprechender Gesichter passend auf die Ausstellung hin. Drinnen darf über die Kunst diskutiert werden. Und hier trifft man im Eingangsraum gleich auf die erwähnenswerte Arbeit des zweiten Waldhausener Künstlers. Jorgen May erhielt für seine ausdrucksstarke, etwas überlebensgroße, weibliche, mit weißer Farbe verfremdeten Holzskulptur mit dem Titel „Schüchtern“ den mit 500 Euro dotierten Preis „Junge Kunst“. Erwähnenswert sind hier auch die großen Fotoarbeiten von Otto Schindler mit seinen sparsamen Arrangements auf geblümter Tapete.

Sparsam bestückt ist der kleine Rathaussaal. Die kleine Edelstahlplastik, ein an einer Ecke geöffneter Würfel von Haté Hirlinger, steht als Objekt konkreter Kunst in interessantem Gegensatz zu den alten gotischen Fresken, ebenso wie Hans Lindenmüllers kybernetisches Objekt „Portal 2017“, bei dem sich beim Näherkommen automatisch ein kleines Tor öffnet. Es ist heuer eines der wenigen Objekte in der Ausstellung. In den Raum integrieren sich besser die drei aus je einem Baumstamm gearbeiteten witzigen Holzschafe von Fritz Schmidt-Ortenburger.

Bestimmender künstlerischer Höhepunkt im großen Rathaussaal ist der glänzende aus Segmenten zusammengeschweißte Messingring von 230 Zentimeter Durchmesser von Ute Lechner und Hans Thurner. Das Objekt „Der Ring“ ist in einer zerbrechenden Welt Sinnbild der Schönheit und Vollkommenheit und gleichzeitig Aufforderung zur Gemeinsamkeit und Eintracht.

Gegenüber im Saal hat der Wasserburger Roland Hanisch das Bild eines großen, fliegenden Vogels durch seine Aufsplitterung in einzelne Segmente verfremdet. Dazwischen hängt meist ansprechende Kunst verschiedener zeitgenössischer Stilrichtungen: faszinierende Fotografien von Heinz-Martin Weiand, Fotorealistisches von Gerhard Prokop, Abstrakt-Dynamisches von Michael Bednarik, expressiv-abstrakte Akte von Marta Fischer und vieles mehr.

Die Fülle guter Arbeiten setzt sich in der Galerie im Ganserhaus fort. Entsprechend der Räumlichkeiten sind hier meist kleinere Formate ausgestellt, auch hier eine Mischung verschiedener zeitgenössischer Stile. Interessant, aber inhaltlich nicht unbedingt verständlich ist Uli Reiters Papierarbeit „Weg mit der Kohle – Manifest zur Abschaffung des Eigentums“. Da lässt sich „Das Kapital“ von Karl Marx besser verstehen. Ähnlich unverständlich, aber interessant ist Andreas Fischers Objekt „Micro-Cern“ aus Elektronikbauteilen, Schläuchen und Drähten. Reste hat auch Pepe Kremer für seinen gleichnamige abstrakte, Collagen hafte Fotografie verwendet. Große abstrahierte Landschaften voller Dynmail malt dagegen Monika Lehmann. Still sind Aldo Canins leise Landschaftsbilder, von denen gleich drei zu sehen sind. Etwas technisch und künstlerisch Neues präsentiert das Team „Color-A“. Ihr gehört der aus Wasserburg stammende Maler Johannes Klinger an. Sie entwickelten eine transparente, dreidimensionale, abstrakte Malerei mit eigenem Farbraum, die durchaus ihren Reiz hat.

Etwas verschenkt wurde der Kellerraum der Galerie. Hier tritt dem Besucher gleich beim Treppenende eine lebensgroße Skulptur einer nackten Frau aus Stahlblech von Thomas Hans gegenüber. Sie ist fast ein Pendant zur Skulptur von Jorgen May im Rathaus, füllt aber den Raum nicht.

Extra-Ausstellung der Juroren

Im Museum Wasserburg nun ist eine Extra-Ausstellung der Juroren. Sie haben sich eine größere Zahl von auszustellenden Arbeiten genehmigt, was aber die Gestaltung des Raumes nicht erleichterte. Dominic Hausmann zeigt vier kleine abstrakte Materialcollagen, Gavan McCullough durchaus interessante aus Farbfeldern zusammengesetzte Porträts, Margret Kube expressive, verwaschene Gemälde, Paul Mooney abstrakte Aquarelle und Studien mit Linien und Kreisen, und von Vera Moritz stammen Mädchen- und Frauengestalten, die von Modezeichnung beeinflusst scheinen oder diese karikieren. Ihr Bild „Home sweet home“ einer alten Stadt verweigert sich der Schönheit. Es ist durch einen großen grauen Balken nach oben begrenzt, Farbschlieren fließen von unten hinauf.

 

 

 

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