Ein Abend im Friedberger Concept-Store von Martin Oster und Alexander Efimov
Martin Oster, Alexander Efimov
Wir sind in Friedberg, Friedberg bei Augsburg, genauer auf dem Friedberger Berg. Auf der Anhöhe beleuchten die Schaufenster zweier ledbestrahlter Räume eine Menschenmenge. In der ansonsten menschenleeren Straße wirkt das wie ein Flashmob oder eine Demonstration.
Lieber Friedberg als Berlin
Das Licht kommt aus Martin Osters und Alexanders Efimovs neo Gallery und ihrer Showrooms und erhellt nicht nur die Menge auf der Straße, sondern auch eine Kulturszene an der Peripherie der Großstadt Augsburg und – was vielleicht noch interessanter ist – die Strategie, sich abseits vom Großstadt-Hype – als Künstler, Kunstvermittler und -vermarkter zu etablieren und vor allem zu überleben.
you are art – art is not expensiv
„Lieber Friedberg als Berlin“ titelte die „Augsburger Allgemeine“ anlässlich des Galerie-Openings im Sommer. Martin Osters programmatischer Satz ist dabei so beschwörend wie appellierend. Denn was könnte der Friedberger Kulturszene Besseres passieren, als dass sich junge Künstler auf das Abenteuer Provinz einlassen mit allen seinen existenziellen Risiken, die Provinz Ihnen aber wiederum Arbeits- und Lebensmöglichkeiten bietet, die in den Metropolen einfach nicht zu finanzieren wären.
Ich kenne Martin noch von seiner Ausstellung im AK68/Galerie im Ganserhaus 2012 in Wasserburg am Inn, deren Kurator ich in dieser Zeit war. Mit der Videoinstallation „realartificial 2.0“ schuf er damals in den Gewölben des mittelalterlichen Ganserhauses eine spektakuläre Videoinstallation, in der er nicht nur die Bilder und Videos entwickelte, sondern ebenso deren Sounds und Musiken.
Nach Ausstellungen in Rosenheim und Salzburg ließ sich das unruhige Multitalent, Magister Artium Martin Oster aber nicht aufhalten und landet 2014 schließlich in den Ateliers des Augsburger Kulturpark-West. Von da aus und bis zum Friedberger Weihnachtsprogramm der Neo-Gallery 2017 war der Weg zwar noch nicht absehbar, am Ende aber schlüssig und in gewisser Weise sogar beispielhaft für künstlerische Überlebensstrategien im „so-called postmodern“.
Dominik Schuhmacher
Was Martin Oster und Alexander Efimov in ihrem weihnachtlichen Galeriekonzept aber nun zusammen- oder nebeneinanderbringen, stellt für den traditionellen Galeriebesucher eine Herausforderung dar. Da zerfließen, trotz Trennung durch die zwei Ausstellungsräume der Galerie, die Grenzen zwischen Kunst und Kunsthandwerk. Im einen Raum begegnet man hiphopigen Baseballcaps von Lou-i, Designerschmuck von Sandra Kickstein, Eva Ullrich und Ace of Beads. Der zweite, ca. gleichgroße Raum zeigt Malereien und Graphiken von Markus Maag, Dominik Schuhmacher, Paul Ritzl, Martin Oster und mir sowie Skulpturen von Christiane Osann und Tobias Freude.
art is not expensiv
Alexander Efimov und Martin Oster bezeichnen das als methodische Verbindung von Concept- und Artstore, bzw. Kunst und Design. In dem Zusammenhang verwies mich Martin auf die Designabteilung in der Münchener Pinakothek der Moderne, die in ihrer Wirkung der vermeindlichen Erhabenheit zweckfreier Kunst in nichts nachsteht. Trotz meines Einwandes, dass den Designerstücken der Pinakothek durch die Überführung ins Historisch-Museale ja nun die, für die Kunst paradigmatische Zweckfreiheit zugestanden werden kann, muss ich aber zugeben, dass im postmodernen Kunstdiskurs, angesichts des Pluralismus der Kunstgattungen die Frage nach den Grenzen der Kunst weiter ungeklärt bleiben muss.
concept-store
Aber gerade deshalb ist Martins und Alexanders Neo-Gallery in ihren Ausstellungkonzepten nicht nur für das Friedberger Kulturleben, sondern ebenso für den zeitgenössischen Kunstdiskurs und seines kritischen Postulats des „anything goes“ eine Bereicherung. Als kunstafiner Betrachter, wie beiläufiger Konsument ist man in dieser Weihnachtsausstellung schließlich aufgefordert seine persönliche, vielleicht sogar allgemeine Grenze zwischen Kunst- und Kunsthandwerk zu untersuchen, die Linie zwischen spiritueller Erfahrung und profaner Nützlichkeit und ihren Überschneidungen
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neo Gallery
act lokal
Damit bietet das Erlebnis neo-Gallery viele Ebenen und Zugänge; als künstlerische (Über)Lebensstrategie ist es ein Gleichnis für den Versuch des Nebeneinander sich teils widersprechender Interpretationen, Auffassungen und künstlerischen Haltungen, als Konsument ist es u.a. die Hinterfragung der Institutionentheorie (alle Werke einer Galerie oder eines Museums sind automatisch Kunst) und als Kunsterfahrung der Spagat zwischen Provinz- und Weltkunst. Global thinking – local acting.