Vom Kunstverein zum KultuRKlub
Wer sich in letzter Zeit nur ein wenig mit der Wasserburger Künstlergemeinschaft AK68 beschäftigt hat, darf sich die Augen reiben, angesichts eines Artikels des hiesigen Lokalblattes https://www.ovb-online.de/rosenheim/wasserburg/gute-zahlen-neue-ideen-9839219.html, der die insgesamt vier Vorstandsrücktritte als die Folge simpler Streitereien beschreibt, – wohl bemerkt, nicht etwa ernsthafter Auseinandersetzungen. Die irritierenden Demissionen des ehemaligen 1. Vorsitzenden, sowie eines Sponsors und Kunstpreisstifters fielen im Bericht gleich ganz unter den Redaktionstisch.
Im selben Stil wird die Kritik am Verzicht auf Kunstvermittlung durch Vorträge und Kuratoren als „Anfeindungen einer kleinen Gruppe“ marginalisiert. Das alles vor dem Hintergrund sich zurückziehender Sponsoren wie Meggle und den zunehmend beunruhigten Rotarieren samt einer anhängigen Klage vor dem Rosenheimer Amtsgericht. „Spürbar besseres Klima“ berichtet die Autorin unerschüttert weiter, will sagen: Alles in Butter auch ohne Meggle!
Derweil schickt sich der neue Vorstand des Arbeitskreises 68 an, als Wasserburgs einzige Institution für zeitgenössische Kunst nun die Grenzen zwischen Bildender Kunst und kreativer Selbstverwirklichung im Ansturm boomender Amateure einzuebnen.
Die Folgen dieses populistischen Unternehmens sind eine nicht nur außerordentlich gut besuchte Mitgliederversammlung der Symphatisanten dieser Strategie, die jeden Diskurs über die skandalösen Rücktritte und Rauswürfe im Konsenspathos absaufen lässt, sondern ebenso der für Wasserburg bedauerlichen Transformation einer traditionsreichen Künstlergemeinschaft in einen Kulturverein der Kreativen.
Rein technisch vollzieht sich dieser Umbruch im Aufblähen der Administration durch die Festanstellung der Geschäftsführung. Gelder die ehedem für die inhaltliche Arbeit, wie professionelle Kuratierung verwendet wurden sind damit gebunden und stehen dem eigentlichen Kerngeschäft der Galerie, ihrem Bildungsauftrag, der Kunstvermittlung nicht mehr zu Verfügung.
Nun kann es sein, dass sich die Künstlergemeinschaft AK68 mit ihrem auf professionell-künstlerische Beratung verzichtenden Vorstand auf etwas anderes verlegen will, nämlich der Massensportart „Künstlersein“. Das ändert zwar nichts am Bildungssauftrag des AK68 und seiner „de facto Stadtgalerie“ im Ganserhaus, an den die existentiellen Fördermittel zwingend gebundenen sind, spült aber ein Menge „Kreativer“ in die Mitgliederversammlung, denen nun Hoffnung gemacht wird, ihre Kreativität bekäme in der Galerie im Ganserhaus nun bald ihr lang ersehntes, institutionelles Setting.
Dass es die, als typisch deutsch definierte Vereinsmeierei ist, die hier den Weg ebnet, ist eine Ironie der 68er-Bewegung, dem Missverständnis: „Jeder ist ein Künstler“, was als Aufbruch in eine ästhetische Gesellschaft und nicht etwa in eine Gesellschaft der bildenden oder darstellenden Künstler, Musiker und Literaten gemeint war.
Wikipädie beschreibt den Begriff Vereinsmeierei wie folgt: „Oft wird damit die Bürokratie innerhalb eines Vereins kritisiert, wenn zu viel Wert auf Formalien (Adminstration, Geschäftsführung) anstatt auf die inhaltliche Vereinsarbeit gemäß der Satzung des Vereins gelegt wird. (…) Als Grund für Vereinsmeierei können physiologische Mechanismen der sozialen Erfolgskonditionierung gesehen werden. Die Vereinsmeierei im weiteren Sinn, d. h. das Engagement in Gruppen und Vereinen und die Einordnung in hierarchische Gruppenstrukturen hat Einfluss auf den sozialen Status. So könnte eine Person, die im Berufsleben nicht hoch angesehen ist, beispielsweise in einem Sportverein soziale Erfolge erleben, die sie im Berufsalltag nicht erreicht.“
Letzteres lässt sich leicht vermuten, verfolgt man das Desinteresse des aktuellen Vorstandspersonals an einem überlokalen künstlerischen Diskurs teilzunehmen. Stattdessen werden Machbarkeitstudien für den Immobilienbesitz des AK68 in Auftrag gegeben, Jubiläen gefeiert und der Schein von Aktualität bewahrt, in dem aus jahrealten Bewerbungen Ausstellungen gebastelt werden.
Der Führungsstil ist dabei autoritär. Zu einer Vereinssatzung – als quasi kleinster gemeinsamer Nenner – besteht keine Beziehung und ist im totalitären, im Grunde antiinstitutionellen Amtsverständnis des 1. Vorsitzenden Hausmann eine Zumutung. Mit der Energie eines Vereinsvorstands, der sein Ehrenamt zum Beruf macht, entwickelte sich Hausmann zügig und erfolgreich nun selbst zur Zumutung für seine, in ihren Hauptberufen zu sehr in Beschlag genommen Ex-Vorstandsmitgliedern, als dass sie noch motiviert genug gewesen wären, sich dem weiter entgegenzusetzen.
Damit erodierte – nicht wenig selbstverschuldet – die alte Garde und wurde in einer, so furiosen wie fragwürdigen Abstimmung in der Mitgliederversammlung ersetzt. Exemplarisch ließ sich der berufene Wahlleiter einfallen die Kanditaten in einer Art Ratzfatz-Negativauszählung wählen zu lassen. Geheime Wahlen wurden nicht einmal angeboten. Und mit dem Ausruf:„Wer gegen Kandidat XY ist, Hände hoch!“ erstarrte die Menge, als wärs ein Banküberfall.
Der eigentlich Wandel aber, die wirkliche Veränderung liegt in der Entprofessionalisierung des Wasserburger Kunstvereins. Von den gut 50 Mitgliedern in der Vollversammlung konnte ich gerade mal zwei Berufskünstler ausmachen. Einer davon war ich selbst.
Es scheint in der Mitgliederversammlung keine ausgemachte Sache mehr zu sein – vielleicht lag das auch gar nicht im Bewusstsein der Anwesenden -, dass es sich in der Auseinandersetzung mit Bildender Kunst um einen Diskurs handelt. So wurden weder Ausstellungen noch die Neuerwerbung für den Skulpturenweg diskutiert, sondern durchgewunken, obwohl es sich bei letzteren zum grössten Teil um Probierkunst junger Kunsthandwerker und Akademieaspiranten und dem mythologisch aufgeblasenen Machwerk „Isis“ eines Seiteneinsteigers handelt. Es darf auch vermutet werden, das dafür die Kompetenz nicht mehr vorhanden ist. Denn die Gemengelage der Mitgliederversammlung bildet sich in zunehmendem Maße aus Kreativen aller Sparten, vom Jazzveranstalter, – ich liebe Jazz -, Darstellern in Improtheatern, in der Hauptsache aber aus malenden, fotografierenden oder töpfernden Amateuren.
Geradezu typisch in diesen Persönlichkeitsentwurf des Kreativen empfand ich das Konzept der mittelalterlichen Gaberseer Krankenschwester, welches sie im Rahmen ihrer Bewerbung für das Thema der diesjährigen Migliederausstellung vortrug. „Frechheit“ war ihr Thema. Ein Begriff, den sie lang und breit in all seinen sprachlichen, ethymologischen und sozialen Bedeutungen, seinen Synonymen, Zu- und Einschreibungen beschrieb. Das Erstaunliche daran war, dass sie dabei kein einziges mal eine ästhetische – im Sinne von sinnlicher – Ebene berührte. Dabei spielte es in ihrer Kunstvorstellung auch keine Rolle, dass es sich bei Konzepten, speziell Kunstkonzepten üblichweise um Skizzen, Entwürfe, Arbeitsvorschläge oder Gestaltungsmethoden handelt.
Das ist Demokratie wird man einwenden können. Der langjährige Rektor der Kunstakademie Düsseldorf und Mitbegründer der Akademie Kolbermoor, Prof. Markus Lüpertz, beschreibt das Phänomen sehr präzise:
„(…)Diese Kreativität ist eine Randerscheinung der Demokratie. Wenn nun jeder kreativ wird, weil jeder entdeckt hat, dass durch Kreativität eine Selbstverwirklichung stattfindet, dann haben wir einen riesigen Boom von Kreativität. Nur hat Kreativität mit bildender Kunst nun wirklich nichts zu tun. Sondern das ist, wie soll ich sagen, in der Demokratie ein Recht des Bürgers auf Selbstverwirklichung.“
Deshalb, so ist zu fürchten, geht es von nun an nicht mehr um Kunst als globales Phänomen, dem man mit diskursiver Offenheit begegnet und im besten Fall mit Vermittlungskompetenz, wie es die Sponsoren wünschen und die staatlichen und städtischen Förderungen verlangen, sondern um lokale Selbstverwirklichung von Schnaitsee bis Schneizlreuth. So wird mit großer Mehrheit die Mitwirkung professioneller Künstler und Kuratoren durch Umschichtung der finanziellen Resourcen ausgehebelt zugunsten einer (Eintritts)Welle ‚kreativer‘ Bürger, denen nun abseits berufskünstlerischer Konkurrenz der Weg zu Warhols berühmten „15 minutes of fame“ geebnet scheint.
Paradigmatisch für den bereits eingetretenen Verlust an professioneller Sachkenntnis und künstlerischem Einfühlungvermögen, steht die Artikulationsnot und unüberhörbare Inkompetenz, die Hausmann in holzschnittartigen Platitüden anlässlich der letzten Ausstellungseröffnungen verbreitet: „(…)Der Künstler steht allein vor der Kunst, das Publikum allein vor dem Werk, deshalb gibt’s dazu auch nichts zu sagen.“
Damit gibt er dem, besonders im städtischen Interesse liegenden und bisher als förderungswürdig geltenden Vermittlungsauftrag des AK68 für Bildenden Kunst endgültig den Rest, zugunsten pseudosozialer Veranstaltungen, wie der „Aktion Lebenskünstler“ http://arbeitskreis68.de/wp-content/uploads/2018/05/Lebensk%C3%BCnstler-1.pdf in denen sich das Klischee des „hungry artist“, allerdings nur unter Vorlage seine Hartz4-Bescheides in die Reihe stellen darf, um kostenlos einen abgekauten Buntstift entgegenzunehmen.
Dieses Angebot ist für jeden professionellen Künstler eine so unglaubliche Anmassung, dass ich mir überlege – bevor ich austrete – , die „Aktion Lebenskünstler“ als „action trouve“ zum Thema “Frechheit“ in die Mitgliederausstellung der Neigungsgruppe AK68 einzureichen.