ZIMMER IM GRÜNEN

ATELIERTAGE BEI WILHELM ZIMMER

Besuch im Atelier 26.03.2017

Lange hatte ich es versprochen und mir fest vorgenommen mit Willis Werk Freundschaft zu schließen. So macht ich mich an einem sonnigen Frühlingstag auf ins Grüne zu Willis Ateliertagen nach Aichet bei Schonstett, einem idyllischen Weiler mit romantischer Mühle.

Dort in einer Schreinerei im ersten Stock unter meterhohem Giebel ist Willi Zimmers Ausstellungsraum und seine kleine Werkstatt. Unten auf der Tenne stimmten Musiker ihr Instrumente, um das Haus herum standen nicht wenige Gäste in der Sonne und oben im Showroom wurde in gedämpften Gesprächen das Werk rezipiert.

Diese Mischung aus Ausflugsziel und Kulturplatz mit der Aura des Geheimtips lobt der regionale Insider dann auch mit ästhetischem Interesse. Dafür gibt’s leicht verständliche Miniaturen in blühender Landschaft. Das ist wie Pasta im toskanischen Landgasthof.

Lange bevor ich nun diesen Ort und Willis Atelier kennenlernen durfte, begegnete ich zwei seiner Werke in einem Wasserburger Cafe, die ich beide so charakteristisch im Stil und doch so konträr im Inhalt und in der Materialauffassung fand.

Das war zum einen der kleine Bronzeguss des fahrradschiebenden Wasserburger Originals August Frommer und zum anderen Willis Arbeit „Der Mantel des Schweigens“, ein zerissener, christlicher Talar, der als kleinformatiger Bronzeguss einen unter ihm stattfindenden Missbrauch suggeriert.

Die Miniatur des gebeugten Frommer fand ich im kleinen Format, als Gleichnis für die Profanität unserer Lebensmodelle ebenso wunderbar gespiegelt, wie die Schwere des Materials, die die Last des August Frommer so spürbar macht.

Das Gegenteil empfand ich beim „Mantel des Schweigens“. Hier wirkt das kleine Format als Miniaturisierung oder Verniedlichung des katholischen Missbrauchsskandals und das Drama gerinnt in Größe und Gewicht zum Briefbeschwerer einer Betroffenheitskultur.

Interessant in jedem Fall aber ist der Stellenwert, den figurativ-narrative Kleinskulpturen in der zeigenössischen Kunst haben. In Abgrenzung zu den kunstgewerblichen Miniaturen, wie den Hummelfiguren oder den Bronzegüssen röhrender Hirsche auf den Vertikos unserer Großeltern, zeigt sich die Gegenwartskunst in der Kleinplastik eher sarkastisch bis humorvoll, wie die Chapmanbrüder oder Fischli und Weiss.

Aber zurück nach Aichet. Da sitze ich immer noch in der Sonne, die Musik spielt und Willis spielerische Plastiken, die sich zum grössten Teil mit den schönen Dingen des Lebens beschäftigen, mit Gleichgewicht, mit Zusammensein und sozialer Harmonie erscheinen mir nun ebenso so liebenswürdig, wie der stets freundlich lächelnde und tapfer gegen den Strom schwimmende Bildhauer Wilhelm Zimmer in dessen Atelier ich zu Gast sein durfte.

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